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FTTH-Netzausbau

Welches FTTH-Geschäftsmodell favorisieren Sie?

Thomas Metzger, Leiter Engineering, betont: «FTTH-Netze sind technisch gesehen das Nonplusultra in der leitergebundenen Telekommunikation.»
Helltec Thomas Metzger Case Studies

Geschäftsmodelle für FTTH in der Schweiz

Unternehmerisch stellt der FTTH-Netzausbau auf Grund der hohen Investitionskosten eine grosse Herausforderung mit erheblichen Risiken dar. Ohne grundlegendes technisches Verständnis und ohne Kenntnisse des komplexen und dynamischen Marktumfeldes sowie dessen Entwicklung können FTTH-Projekte schnell im finanziellen Fiasko enden.

Aktuelle Situation FTTH-Markt Schweiz

In der Schweiz sind per Ende 2020 rund 30 Prozent der Haushalte an ein Glasfasernetz angeschlossen (BEP oder OTO ready). Ein Grossteil dieser Anschlüsse befindet sich in städtischen Gebieten. Der Bau dieser Glasfasernetze wurde oft in Kooperation zwischen den örtlichen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) und der Swisscom realisiert. Während Swisscom die Anschlüsse mit eigenen Services bespielt, betätigen sich die EVU vorwiegend als reine Infrastrukturbetreiber auf Layer-1-Ebene. Sie vermieten diskriminierungsfreie Zugänge an national und regional tätige Provider innerhalb ihres Versorgungsgebietes. Aufgrund der Kooperationsvereinbarung zwischen Swisscom und den EVU, die vier Fasern pro Nutzungseinheit zu teilen, ist auch die Swisscom in der Lage, eine Faser an dieselben Provider zu vermieten. Somit entsteht auf der Infrastrukturebene ein Konkurrenzkampf zwischen den Kooperationspartnern. Es erklärt sich von selbst, dass sich die Wertschöpfungskette der Swisscom «nahrhafter» gestaltet als jene der EVU, da der Marktleader sowohl Erträge aus den eigenen Services wie auch solche aus dem Geschäft mit der Faservermietung generieren kann. Die EVU ihrerseits müssen die Refinanzierung ihrer Netze allein aus dem Geschäft mit der Faservermietung bestreiten. Deshalb mag es nicht verwundern, dass einige EVU nachträglich Basisdienste wie Internet-Access lanciert haben, um ebenfalls zusätzliche Erträge aus Services zu generieren. Damit stehen sie aber in direkter Konkurrenz zu ihren eigentlichen Kunden (regionale und nationale Provider), welche dieselbe Kundschaft mit Services versorgen möchten. Dieser Umstand macht es vor allem kleineren, nicht national tätigen Providern zunehmend schwierig, über Open-Access-Netze ein gewinnbringendes Geschäftsmodell zu betreiben.

Ganz anders präsentiert sich die Situation den beiden Full-Service-Providern Sunrise UPC und Salt, welche neben der Swisscom über einen schweizweiten Footprint verfügen. Durch ihre Grösse sind sie in der Lage, die monatlichen Mietpreise für einen FTTH-Anschluss zu bestimmen, welcher über die Faser der Swisscom oder jene des EVU realisiert werden kann. Zudem verfügt Sunrise UPC mit ihren HFC-Netzen über eine alternative, eigene Netzinfrastruktur. Diese Wettbewerbssituation führte innerhalb weniger Jahre zu einer Preiserosion für eine unbeleuchtete Faser von ursprünglich > 30 CHF pro Monat auf momentan 16 bis 25 CHF. In Zukunft dürften die Preise abhängig von der Menge der gemieteten Anschlüsse weiter nach unten tendieren auf ein Niveau von 10 bis 12 CHF. Durch diesen Preiszerfall verschärft sich die Situation für kleine Provider, welche naturgemäss eine geringere Penetration erreichen, nochmals um eine Stufe, während die Marktmacht der Grossen zementiert wird. Auf Grund des Preisdrucks auf Mietfasern rückt für Infrastruktureigner die Refinanzierung eines FTTH-Netzes somit mehr und mehr in den Fokus und der Druck nach der Suche von neuen und innovativen Geschäftsmodellen steigt. Auf jeden Fall ist und bleibt der Bau von Glasfasernetzen ein Vorhaben mit sehr langfristigem Charakter in Bezug auf die Refinanzierung und die Wirtschaftlichkeit.

FTTH-Roadmap der grossen Player

Swisscom hat kürzlich angekündigt, auf der Basis des bald abgeschlossenen FTTS-Ausbaus (Fiber-to-the-Street) weitere 30 Prozent der Schweizer Haushalte bis 2025 über Glasfasernetze zu erschliessen. Diese Ankündigung scheint in der Kommunikationsbranche seine Wirkung nicht zu verfehlen. Viele Kabelnetzbetreiber überlegen sich, den schon seit Jahren andauernden evolutiven Glasfaserausbau zu forcieren und neben Neubaugebieten beispielsweise auch Liegenschaften mit grösseren Wohnungszahlen mit Glas zu erschliessen. Auch mittlere und kleinere EVU suchen nach Strategien und Geschäftsmodellen, um in ihren oft gut dimensionierten Rohranlagen FTTH-Netze zu realisieren. Zusammen mit der vom Gesetzgeber geforderten Fernauslesung von Stromzählern (Smart Metering) können Synergien im Netzbau genutzt werden, welche sowohl dem Geschäftsbereich Energie wie auch Kommunikation zugutekommen. Auch wenn die von Swisscom angestrebte Verdoppelung des FTTH-Footprints über das Jahr 2025 hinausgehen dürfte, so kann davon ausgegangen werden, dass reine Glasfasernetze einen Teil der heutigen hybriden Netze (HFC und xDSL) entweder ablösen werden oder aber für eine gewisse Zeit ein Parallelbetrieb stattfinden wird.

Diskriminierungsfreie Netzzugänge?

Gemäss aktueller Gesetzgebung gibt es im Bereich der neu gebauten Glasfasernetze keine Regelung, welche dem Netzbesitzer vorschreibt, sein Netz anderen Fernmeldedienstanbietern in Form von entbündelten und somit diskriminierungsfreien Zugängen öffnen zu müssen. Dies gilt sowohl für reine FTTH-Netze wie auch für hybride Zugangsnetze. Bei Letzteren enden die Glasfasern in Strassenschächten oder Kabinen am Strassenrand. Ab diesen werden die bestehenden Kupfer-ZweidrahtLeitungen oder Koaxialkabel weiterverwendet, welche die einzelnen Nutzungseinheiten in den Liegenschaften erschliessen. Bei der verwendeten Übertragungstechnologie spricht man im Fall der Telco-Netze von «G.fast», während das Pendant bei den Kabelnetzbetreibern «DOCSIS 3.1» heisst.

 Typische Netztopologie eines HFC-Netzes
Abbildung 1: Typische Netztopologie eines HFC-Netzes

 

Bezüglich eines physikalisch entkoppelten, diskriminierungsfreien Netzzugangs für verschiedene Provider sind weder die G.fast- noch die DOCSIS-3.1-Netze geeignet, erstere auf Grund des Übertragungsverfahrens (Vectoring), letztere infolge der Netztopologie (Baumstruktur, Abbildung 1) und des beschränkten Übertragungsspektrums. Da die Swisscom im Gegensatz zu den Kabelnetzbetreibern aber immer wieder mit dem Status eines marktbeherrschenden Fernmeldedienstanbieters konfrontiert ist, bietet sie auf ihren Hybridnetzen sogenannte «Broadband Connectivity Services» (BCS) auf Bitstream-Ebene (Layer-3) an, über welche alternative Fernmeldedienstanbieter ihre Endkunden bedienen können (Abbildung 2).

 Layer-3-Zugang (Bitstream) über die hybriden Zweidraht-Kupfernetze (G.fast) und FTTH-Netze der Swisscom
Abbildung 2: Layer-3-Zugang (Bitstream) über die hybriden Zweidraht-Kupfernetze (G.fast) und FTTH-Netze der Swisscom

Die Preisgestaltung für die Nutzung von BCS richtet sich ausschliesslich nach dem Service-Profile, welches die Übertragungsgeschwindigkeit im Down- und Upstream definiert. Das verwendete Erschliessungsmedium (Kupfer oder Glas) hat keinen Einfluss auf die Preisgestaltung. So kostet der schnellste momentan erhältliche G.fast-Anschluss (Service Profile 500/100 Mbit/s) 30 CHF. Das Service-Profile 1000/1000 Mbit/s, welches nur über Glas angeboten werden kann, kostet 32 CHF, und das höchste Profile 10 000/10 000 Mbit/s schlägt mit 35 CHF zu Buche (Quelle: Swisscom Handbuch – Preise für Broadband Connectivity Services – Version 1-26).

Im Bereich der reinen Glasfasernetze (FTTH) wurden bis 2017 vorwiegend Netze in Point-to-Point-Topologie gebaut (Abbildung 3). Dies trifft insbesondere auf alle grossen Stadtnetze zu, welche in Kooperation EVU/ Swisscom gebaut wurden. Bei dieser Bauart erhält jede Nutzungseinheit mindestens zwei dedizierte Fasern bis in die Netzzentrale. Die Entbündelung der Anschlussleitung zu einer beliebigen Nutzungseinheit ist entsprechend einfach. Swisscom bietet mit dem Produkt «Access Line Optical» (ALO) Mietleitungen für offiziell 25 CHF pro Monat und Nutzungseinheit an.

 Layer-1-Zugang über Point-to-PointFTTH-Netze
Abbildung 3: Layer-1-Zugang über Point-to-Point FTTH-Netze

Mit dem Start des FTTS/FTTB-Netzausbaus durch Swisscom wird seit 2015 im Zuge von FTTH-Erschliessungen von grösseren Neubaugebieten auf die kostengünstigere Point-to-Multipoint-Topologie gesetzt. Dabei werden Cluster von 32 Nutzungseinheiten über die Abgänge eines dezentralen optischen Splitters mit entsprechendem Splittverhältnis versorgt. Eingangsseitig wird der Splitter über eine dedizierte Faser ab der Netzzentrale erschlossen. In der Netzzentrale wird das optische Signal ab OLT-Port (Optical Line Termination) im Verhältnis 1:2 vorgesplittet, bevor dieses auf die Faser zum dezentralen 1:32-Splitter geschaltet wird. Somit entstehen logische Cluster von 64 Nutzungseinheiten, welche bei Bedarf durch Eliminierung der Zweifach-Vorsplittung halbiert werden können. Im Bereich Layer-2 kommt die XGS-PON-Technologie mit einer maximalen Übertragungskapazität von 10 000/10 000 Mbit/s symmetrisch pro Cluster zur Anwendung. Diese Bauart der Swisscom hat den Winterthurer Fernmeldedienstanbieter Init7 auf den Plan gerufen. Dieser hat bei der Wettbewerbskommission (Weko) Klage eingereicht. In der Folge hat die Weko eine Verfügung zur Sicherstellung des Layer-1-Zugangs für alternative Fernmeldedienstanbieter erlassen, welche den weiteren Ausbau von Point-to-Multipoint-Netzen durch Swisscom defacto untersagt. Gegen diese Verfügung hat die Swisscom beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingereicht.

: Layer-1-Zugang über Point-to-Multipoint FTTH-Netze von Swisscom mittels Wellenlängenmultiplexing (C-ALO)
Abbildung 4: Layer-1-Zugang über Point-to-Multipoint-FTTH-Netze von Swisscom mittels Wellenlängenmultiplexing (C-ALO)

Ohne den Entscheid des Gerichts abzuwarten, bietet Swisscom zwischenzeitlich auf ihren Point-to-Multipoint-Netzen das Produkt «Coloured Layer-1-Access Line Optical» (C-ALO) an (Abbildung 4). Unter Verwendung des NGPON2-Standards gemäss ITU-T G.989, welcher die unabhängige Übertragung von je vier Wellenlängen im Down- und Upstream über eine Faser respektive Splitter ermöglicht, können somit bis zu vier Provider ihre Services in ein und demselben Cluster parallel anbieten. Die Unabhängigkeit der einzelnen Provider findet mittels passiver Wellenlängenmultiplexer auf der physikalisch-optischen Ebene statt. Allerdings müssen die von den einzelnen Providern eingesetzten Transceiver für OLT und ONT dem obengenannten Standard entsprechen und von der Swisscom zertifiziert werden, um gegenseitige Störungen im Betrieb auszuschliessen. Die OLT müssen zudem das Inter-Channel-Termination Protokoll (ICTP) gemäss TR-352 (Broadband Forum) unterstützen.

Offenbar vermochte das neue Produkt C-ALO der Swisscom das Bundesverwaltungsgericht nicht zu überzeugen. In einem am 5. Oktober 2021 veröffentlichten Gerichtsurteil weist dieses die Beschwerde der Swisscom gegen die Verfügung der Wettbewerbskommission (Weko) ab. Das Gericht hält fest, dass mit dem Strategiewechsel der Swisscom im FTTH-Netzausbau von «Point-to-Point» auf «Point-to-Multipoint» eine Technologieeinschränkung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. e des Kartellgesetzes vorliegt. Dies verunmöglicht alternativen Fernmeldedienstanbietern den diskriminierungsfreien Netzzugang. Swisscom hat in der Zwischenzeit angekündet, den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesgericht weiterzuziehen. Auch wenn das Produkt C-ALO nicht im eigentlichen Sinne diskriminierende Auswirkungen aufweist, so besitzt es zumindest einschränkende Eigenschaften. So ist die Anzahl der unabhängigen Provider in einem Cluster momentan auf vier beschränkt, wobei Swisscom einer davon ist. Zusätzlich ist die eingesetzte Layer-2-Technologie vorgegeben und muss bei allen Providern identisch sein. Eine Vernetzung der einzelnen OLT der verschiedenen Provider über ein standardisiertes Protokoll ist aus technischen Gründen ebenfalls erforderlich. Als viertes Element ist die Zertifizierung der eingesetzten Transceiver in OLT und ONT durch Swisscom zu nennen.

Swisscom bietet mit dem Produkt C-ALO Mietleitungen für monatlich 25 CHF und Nutzungseinheit an. Somit sind die Mietpreise in einem Point-to-Point- und in einem Point-to-Multipoint-Netz identisch.

Layer-3-Zugang über Point-to-Multipoint-FTTH-Netze von Swisscom oder Salt (Glasfaser-Partnerschaft)
Abbildung 5: Layer-3-Zugang über Point-to-Multipoint-FTTH-Netze von Swisscom oder Salt (Glasfaser-Partnerschaft)

Speziell zu erwähnen in diesem Kontext ist die Zusammenarbeit zwischen Swisscom und Salt. Im Rahmen der Glasfaser-Partnerschaft, welche im Frühjahr 2021 vereinbart wurde, investiert Salt in ein langfristiges Nutzungsrecht an Glasfaseranschlüssen in den FTTH-Netzen der Swisscom und beteiligt sich entsprechend an den Investitionen in den Netzbau. Damit verfügt das Unternehmen in den Point-to-Multipoint-Netzen über einen eigenen Layer-1-Zugang, auf dem es seine Services völlig unabhängig von Swisscom anbieten und betreiben kann (Abbildung 5). Im Gegensatz zum Swisscom Produkt C-ALO betreibt Salt ihr Netz über eigene physische Fasern und Splitter zwischen der Swisscom Ortszentrale und den einzelnen Nutzungseinheiten im Versorgungsgebiet. Swisscom und Salt steht es zudem frei, mit weiteren Partnern zusammenzuarbeiten, da die Glasfaser-Partnerschaft keine Exklusivität vorsieht. Mit dem Deal zwischen Salt und Swisscom wurde die geplante Kooperation zwischen Sunrise UPC und Salt zum gemeinsamen Bau von Glasfasernetzen zur Makulatur.

Layer-3-Zugang über Point-to-MultipointFTTH-Netze von Swisscom oder Salt mittels Wellenlängenmultiplexing (C-ALO)
Abbildung 6: Layer-3-Zugang über Point-to-Multipoint-FTTH-Netze von Swisscom oder Salt mittels Wellenlängenmultiplexing (C-ALO)

Für die Abbildung der Betriebs- und Geschäftsprozesse zwischen Telekommunikationsanbietern und Netzbetreibern gibt es die Bestellplattform «ALEX» der Swiss Fibre Net. Über diese werden schweizweit FTTH-Anschlüsse in den angeschlossenen Netzen aufgeschaltet, verwaltet und betrieben. Ein Ticketing System sorgt für die Koordination der Abläufe und Zuständigkeiten zwischen Providern und Netzbetreiber, dies sowohl im regulären Betrieb wie auch im Störungsfall. Der Swiss Fibre Net sind neben Sunrise UPC und Salt diverse grössere und kleinere EVU sowie Kabelnetzbetriebe angeschlossen. Swisscom verfügt über eine eigene Plattform und ist somit nicht Partner der Swiss Fibre Net.

Migration von hybriden zu reinen Glasfasernetzen

Bis anhin wurden viele HFC-Netze in der Schweiz auf evolutiver Basis kontinuierlich in Richtung FTTH weiterentwickelt, indem die Glasfaser im Zuge von Netzsegmentierungen oder bei der Erschliessung von Neuüberbauungen näher in Richtung oder gar bis zum Teilnehmer verlegt worden ist. Dieser kontinuierliche, aber stets bedarfsgetriebene Ausbau erfolgt in den meisten Fällen auf der Basis eines FTTH-Masterplans, welcher einerseits Netzzentrale und POP-Standorte definiert und andererseits den Faserbedarf auf allen Teilstrecken ausweist. Die Grundlagen des Masterplans wiederum sind konzeptionelle und planerische Vorgaben über die angestrebte Netztopologie und das Faserkonzept, welche beide sorgfältig eruiert werden müssen. Der Masterplan verhindert Fehlinvestitionen, garantiert eine optimale Einbindung und Weiterverwendung der bestehenden Infrastruktur und ermöglicht spontane Trassenmitbenutzungen bei Grabenöffnungen oder Strassen und Werksanierungen.

Als nächster Ausbauschritt steht – zumindest in strategischer Hinsicht – der flächendeckende FTTH-Netzausbau und damit die Ablösung des bestehenden HFC-Netzes an. Obwohl die meisten Kabelnetzbetreiber ihre HFC-Netze unlängst auf 1.0 oder 1.2 GHz modernisiert haben und für Internet-Access den neusten DOCSIS 3.1-Standard verwenden, steigt der Druck seitens der national tätigen Fernmeldedienstanbieter wie Swisscom, Salt oder Sunrise UPC, die heutigen hybriden Netze auf reine Glasnetze weiterzuentwickeln. Dies steht rein wirtschaftlich gesehen in einem gewissen Widerspruch zur Tatsache, dass HFC-Netzbetreiber in punkto Perfomance ihrer Netze und der darauf laufenden Dienste sehr gut aufgestellt und kompetitiv sind. So liegen die physikalischen Zellgrössen heute im Bereich von nur 50 bis 100 Nutzungseinheiten, was Netzanschlussgeschwindigkeiten von 1000 Mbit/s im Downstream und 500 Mbit/s im Upstream problemlos zulässt. Die nächste Generation von Kabelmodem verfügt zudem über eine 2.5-Gbit/s-Ethernet-Schnittstelle, womit die noch schlummernden Reserven von DOCSIS 3.1 in Form von Anschlussgeschwindigkeiten bis 2500 Mbit/s im Download nutzbar gemacht werden können. HFC-Netze – wie auch xDSL-Netze mit G.fast – bieten in der aktuellen Marktsituation ein weitaus besseres Kosten-/ Nutzenverhältnis auf als reine FTTH-Netze, zumal es im Bereich der Privatkunden keine Dienste gibt, welche ausschliesslich über Glas angeboten werden könnten. Eine Exklusivität von FTTH-Netzen fehlt, sieht man einmal von den rein Marketing getriebenen, in der Praxis jedoch wenig nützlichen Internet-Anschlüssen von 10 Gbit/s symmetrisch ab. Trotzdem aber ist es unbestritten, dass die langfristige Entwicklung der Anschlussnetze in Richtung FTTH gehen wird. Annähernd unbegrenzte Übertragungskapazitäten auf der Glasfaser, symmetrische Anschlussgeschwindigkeiten, geringe Latenzen, niedrige Unterhaltskosten, weitgehende Unempfindlichkeit gegenüber äusseren Störeinflüssen und einfach zu realisierende, diskriminierungsfreie Netzzugänge sind gewichtige Argumente für reine Glasfasernetze.

Netzausbau- und Netznutzungsstrategie

Ein FTTH-Neubau, aber auch ein HFC-Overbuild (FTTH-Netzbau in der Rohranlage eines HFC-Netzes) ist immer mit hohen Investitionskosten verbunden. Demzufolge rücken Finanzierbarkeit und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bei der Festlegung der richtigen Netzausbau- und Netznutzungsstrategie in den Fokus. Dies gilt insbesondere für private Unternehmungen, welche Investitionen in die Netzinfrastruktur ausschliesslich mit Erträgen aus dem Netzbetrieb finanzieren müssen, und die nicht mit Subventionsbeiträgen respektive Geldern der öffentlichen Hand rechnen können. Die Erträge aus den heutigen Telekommunikationsdienstleistungen lassen sich mit einem Wechsel des Netzanschlusses von Kupfer auf Glas nicht per se steigern. Jedoch können zusätzliche Erträge mit der Vermietung von Fasern an alternative Fernmeldedienstanbieter erwirtschaftet werden. Dies erfordert jedoch die Bereitschaft des Kabelnetzbetreibers, Konkurrenzangebote auf seinem Netz zuzulassen. Investitionsseitig haben Faktoren wie die Trassenqualität, die angestrebte Netztopologie und das Faserkonzept, der Einbezug der bestehenden Glasinfrastruktur und die Art des Ausbaus (BEP oder OTO ready) einen massgeblichen Einfluss auf die Erstellungskosten (Abbildung 7). Der wohl einflussreichste Faktor jedoch ist die Bereitschaft, das Netz in Kooperation mit einem Partner zu erstellen, welcher für einen Teil der Investitionskosten aufkommt.

Sowohl kosten- wie auch ertragsseitig gibt es also Mittel und Wege, die Finanzierbarkeit eines FTTH-Netzes sicherzustellen und die Wirtschaftlichkeit, wenn auch erst langfristig, zu garantieren. Als Konsequenz ist in den meisten Fällen jedoch eine Anpassung der Unternehmensstrategie notwendig, sei es durch Aufgabe der exklusiven Bespielung eines Netzes oder durch den Verlust des alleinigen Besitzes der Infrastruktur.

Abbildung 7: Einflussfaktoren auf Investitionskosten FTTH-Netzbau
Abbildung 7: Einflussfaktoren auf Investitionskosten FTTH-Netzbau

Ein wesentlicher Schritt bei der Anpassung der Unternehmensstrategie eines Kabelnetzbetreibers ist die Kalkulation der voraussichtlich anfallenden Investitionskosten für einen flächendeckenden Glasfaserausbau. Dieser Schritt bildet die Basis für alle weiteren strategischen Überlegungen wie Netzausbau- und Netznutzungsstrategie. Die Investitionskosten werden vorzugsweise mit einem Vorprojekt ermittelt, welches folgende Punkte umfasst:

  • Analyse der bestehenden Netzinfrastruktur
  • Erarbeitung konzeptioneller und planerischer Richtlinien (u. a. Netztopologie und Faserkonzept)
  • Berücksichtigung des Faserbedarfs für Dritte (Werke, alternative Fernmeldedienstanbieter u.a.)
  • Bestimmung von Pilotzonen, welche das Gesamtnetz bezüglich Qualität der Rohrinfrastruktur und der Baudichte repräsentieren
  • Detailplanung dieser repräsentativen Pilotzonen
  • Detaillierte Kostenrechnung in den Pilotzonen über alle Netzabschnitte sowie Material- und Arbeitsgattungen
  • Kostenhochrechnung der Pilotzonen auf das Gesamtnetz
  • Risikoanalyse (Sensibilitätsbestimmung verschiedener Faktoren auf die Kosten)

Die detailliert und differenziert erarbeitete Kostenrechnung ist ein wichtiger Entscheidungsfaktor bei der Entwicklung von unterschiedlichen Geschäftsmodellen.